Ich bin ja nun doch schon näher an der Rente als am Abitur. So denke ich immer öfter über die Worte meines Vaters nach: „Rentner sind die ungeduldigsten Leute!“

Und das stimmt auch. Wenn man im Supermarkt an der Kasse den Einkaufswagen in die Hacken gefahren kriegt, wenn jemand krakeelt: „zweite Kasssäää!“ – dann sind das eigentlich immer Rentner. Diese Ungeduld schleicht sich auch in mein Leben immer mehr ein. Und darum flieg ich lieber kurz und schnell, als lang, weit, groß und spektakulär. Das Problem mit der Ungeduld: Sie kostet viel Zeit!

Schnell rüber, Anhänger raus und Discus zusammenstecken – das war der Plan. Der Anhänger stand aber im Feldlazarett, vorne hochgebockt, Kurbel fehlt, halb in der Halle, halb draußen. Na, dann schmeiß ich mich halt auf die Hinterkante, das Ding wird vorne rumgehoben, aufgeklappt und die Schiene rausgezogen. An der Schiene fehlt aber der Hebel zum hochbocken, 2 cm massiver Gussstahl sind zerbröselt. Eigentlich habe ich jetzt schon keinen Bock mehr… Trotzdem, muss irgendwie. Hydraulik von Hand hochgezogen, Ventil wieder zu. Kurz den abgerissenen Trethebel inspiziert und da flutscht auch schon der Hydraulikpümpel aus der Führung und ergießt das ölige Innere über den Asphalt. Schwamm drüber…

10 Minuten später steht der Discus flugbereit da. Die defekte Hydraulik wird kurzerhand abgeschraubt (8 Stopp-Muttern - an einem Teil, das niemals fliegen wird!!!), dabei versagen drei Kästen Aldi-Werkzeug und beim Aufräumen kippt mir noch der Privat-Koffer vom Kollegen aufs Vorfeld. Sehnsüchtig geht mein Blick zum Himmel, zu den schweren, großen Wolken, die von der gleißenden Mai-Sonne angeheizt hochquellen, während ich verschlissene Schrauben und klebrige Tuben zurück sortiere.

Segelfliegen ist ein so elegantes, ästhetisches Hobby – warum hab ich grad ölige schwarze Finger?

Tausend Meter über der elenden Hydraulik, über dem Formular wo ich sorgfältig den Lackschaden am Querruder eingetragen habe, über der dräuenden Schwüle am Boden, lehne ich mich erleichtert zurück und lass mich von den unfassbaren Naturkräften hochtragen. 2,6...2,7...2,9.... das Vario zwitschert leise sein fröhliches Lied, es wird ein bisschen kühler und ich denke und fühle mit dem Wolkengebirge, daß da über mir wächst und wächst. Nordwestlich hinter dem Rothaargebirge hat es sich schon zu einer blaugrauen Wand aus Wasser gestaut, nach Osten sehe ich nur flache Fetzen. „Na dann“ denke ich, „dann halt das leckerste zwischen roh und angebrannt“ und senke die Flugzeugnase nach Norden, genau am Rand der großen Gewitterzelle entlang.

Zum perfekten Komfort fehlt mir noch ein Kopfkissen. Ich krame nach dem aufgewickelten Haubenbezug der sich aber widerspenstig hinter der Rückenlehne verhakelt hat. Mit beiden Händen krieg ich ihn schließlich rausgezerrt. Das torkelige Geschlenker in meiner Flugbahn kostet 100 m Höhe. Nun brauche ich noch die Karte um die neue Frequenz von Allendorf und Korbach nachzuschauen. Wie immer ziehe ich aber erst das verkehrte Blatt raus, dann faltet sich die Karte falsch auf, es verknittert Alles und ich seh nur Münsterland oder Hannover. Bevor ich das sortiert kriege, schüttelt der Discus sich ein wenig und die sonnensatte Landschaft schickt mir den nächsten Schwall Warmluft, der die fast 400 kg von Pilot und Flugzeug greift und wie ein Laubblatt nach oben wirbelt.

Eigentlich sehr uneffizient, Segelflug: Dieser Aufwind könnte auch 10 Flugzeuge tragen, oder 20 oder 30, ohne zu schwächeln. Aber ich bin ganz alleine in diesem Kraftstrom aus Luft.

An der Basis verlier ich ein bisschen die Aussicht auf die nächsten Wolken. Da ich aber eh nicht so genau weiß, wo ich hin will, ist das ein bisschen egal. Nur schnell will ich sein. Endlich mal drei-stellig. Hab ich in 35 Jahren Segelfliegen noch nie geschafft, die magische 100 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit.
Die nächsten drei Wolken reizen aber nur meine Ungeduld. Zerrissene 1.5 m/s sind mir zu lahm - um 16 uhr wartet der nächste Pilot auf das Flugzeug und meine Tochter am Sandkasten.
Also dreh ich nach nur 60 km um, und ein paar Minuten westlich reichen drei Kreise für Endanflughöhe. Ohne Sicherheit – aber ich hab keine Geduld!
Der kleine Discus gleitet heute wunderbar – wahrscheinlich weil ich so sorgfältig abgeklebt habe. Am Wasser kanns nicht liegen – ich hab nix in den Tanks; Flächenbelastung wird total überbewertet. Nach kaum 25 Minuten Gleitflug kann ich die Strecke schließen. Macht 111,18 km/h. I c h h a b s g e s c h a f f t !
Klar, 120 km is eine lächerliche Strecke. Aber, hab ich das schon gesagt? Ich bin UNGEDULDIG! Oder um es mit Michael Schumacher zu sagen: „Im Prinzip geht’s darum als erster Feierabend zu machen“.

Einer in Hessen flog dann noch schneller an diesem Tag. Aber der hatte ein viel größeres Flugzeug. Und keinen kaputten Anhänger. Und keine Tochter. Und Wasser. Glaub ich…

Der Flug beim OLC: https://www.onlinecontest.org/olc-3.0/gliding/flightinfo.html?dsId=7180745

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